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Der Ausbau der Kaiserstraße 1806 bis 1808

Vor etwas über 200 Jahren, im Jahr 1806, wurde damit begonnen, die Kaiserstraße zur Straße erster Ordnung auszubauen. Das hatte für Morschheim und unsere Region weitreichende Folgen.

Die neue Herrschaft

Zeitgenössische Karte des Département du Mont-Tonnerre

Um das Jahr 1800 eroberten französische Revolutionstruppen unter Napoleon Bonaparte (1769 bis 1821, Kaiser seit 1804) die linksrheinischen Gebiete, und damit begann für unsere Region eine Zeit großer Veränderungen. Morschheim gehörte von nun an zum neu gebildeten Departement (Verwaltungsbezirk) Donnersberg, das etwa so groß war wie das heutige Rheinhessen mit der Pfalz und der seinen Verwaltungssitz in Mainz hatte.

Unter der neuen Herrschaft wurde, neben vielen Veränderungen, die unter anderem Verwaltung, Handel, Gewerbe und Postwesen betrafen, auch die französische Sprache als Amtssprache eingeführt. Die Bezeichnung für das neue Departement lautete deshalb "Departement du Mont Tonnere". Höchster Regierungsbeamter wurde im Februar 1802 Jeanbon St. André (1774 bis 1813) im Rang eines Präfekten [1]. Wie aus zeitgenössischen Berichten bekannt ist, widmete er sich diesem Amt mit großem Engagement. St. André und sein Regierungsgremium waren nun für das gesamte neu gebildete Departement zuständig.

Schon bald kam er zu der Überzeugung, dass es eine gute und schnelle Straßenverbindung von Mainz nach Paris geben müsse. Er schickte ein Schreiben an Napoleon mit folgendem Wortlaut: "Um die Bewohner des Departement Donnersberg mit Frankreich zu verknüpfen, ihnen Sitten, unsere Sprache und die Liebe zu unseren Gesetzen zu geben, bitte ich um Genehmigung zum Neu- und Ausbau einer Straße erster Ordnung von Mainz bis nach Paris." Napoleon befürwortete die Angelegenheit – allerdings in erster Linie aus militärisch-strategischen Gründen. Auf seinen Befehl hin begann im Jahr 1806 der Straßenbau.

Die "Route Impériale" - Bau & Nutzung

Vorhandene Wege und Strecken wurden teilweise integriert. Eine wirkliche Großbaustelle für die Begriffe der damaligen Zeit entstand, auf der täglich rund 900 Menschen arbeiteten. 40.000 Francs kostete der Kilometer. Viele Arbeitskräfte bekamen Lohn, aber die Bauern mit Pferd und Wagen waren zu unentgeltlichen Hand- und Spann-diensten verpflichtet. Die Gesamtkosten wurden aus dem Steueraufkommen des Departements Donnersberg beglichen. Die neue Straße erhielt, wo es möglich war, eine Breite von zehn Metern, aber nur die mittleren sechs Meter waren mit Stein befestigt [2].

Ab 1811 konnte man die neue "Route Impériale", die von den Deutschen später "Kaiserstraße" genannt wurde, durchgängig von Mainz nach Paris befahren. Napoleon selbst bereiste die Strecke mehrmals, und es darf vermutet werden, dass ihn sein Weg auch durch unser Dorf führte. Für den Alltag der Menschen brachte die Straßenverbindung viele Erleichterungen. Handel und Postwesen gingen nun schneller vonstatten. Die Waren aus unserer fruchtbaren Region konnten einfacher an den Rhein zu den Frachtschiffen gelangen, und die Schiffsladungen mit Waren aus fremden Ländern kamen leichter und schneller bei uns an. Es gab sogar eine "Diligence" genannte Schnellpost, die für die gesamte Strecke bis Paris im Sommer lediglich fünf, im Winter sechs Tage benötigte [3].

Die "Route Impériale" als Schicksalsstraße

Doch die Straße wurde nicht nur für friedliche Zwecke genutzt. Bereits 1811 mussten Heerscharen von Franzosen und rekrutierte Soldaten aus unseren Dörfern bis nach Russland marschieren – der kleine Rest kehrte 1813/1814 kläglich und geschlagen zurück. Nach dem Wiener Kongress 1815 wurde unser Gebiet wieder deutsch, und es folgten relativ friedliche Jahre, auch für Morschheim. Allerdings war schon 1816 ein Hungerjahr, das viele Menschen dazu zwang, aus Not ihre Dörfer zu verlassen um in Übersee eine neue Zukunft zu finden. Die Kaiserstraße wurde als beste Verkehrsverbindung zu den Rheinschiffen nach Mainz Hoffnungs- und Leidensweg zugleich.

1849 marschierten preußische Truppen die Straße entlang, um im Schlossgarten in Kirchheimbolanden den so genannten Freischärleraufstand niederzuschlagen. Siebzehn junge Demokraten aus unserer Region mussten dabei ihr Leben lassen. 1870 gab es erneute Soldatenaufmärsche, diesmal gegen Frankreich, und ein Jahr später kamen die Aufgebote siegreich wieder zurück. Zu allen Zeiten waren Straßen und Wege Schauplätze, sowohl für die Benutzer als auch für die Anwohner. All die geschilderten Ereignisse wurden von den Menschen in den Dörfern und Städten entlang der Kaiserstraße direkt beobachtet und miterlebt. Das gilt natürlich auch für die Menschen in Morschheim – unsere Vorfahren..

Auf der Kaiserstraße wird auf den Kaiser gewartet

Einmal soll sogar Kaiser Wilhelm mit Gefolge auf der Kaiserstraße durch das Dorf geritten sein. Die Fotografie zeigt vermutlich Morschheimer Bürger in Erwartung des hohen Besuchs. Die Geschichte geht weiter. 1914 brach der Erste Weltkrieg aus. Deutsche Heere zogen nach Frankreich und kamen vier Jahre später nach verlorenen Schlachten abgekämpft und niedergeschlagen über die Schicksalsstraße zurück. 1939, zu Beginn des Zweiten Weltkrieges, rollten Panzer und andere Militärfahrzeuge westwärts durch unser Dorf.

Am Ende dieses schrecklichen Krieges kamen wieder einmal überlebende, entkräftete Soldaten auf dieser Strecke nach Hause. Fast zeitgleich warfen die alliierten Streitkräfte ihre Bomben ab, danach erfolgte der Einzug der amerikanischen Besatzungsmacht mit ihren Fahrzeugen und Panzern [4].

Die schwerste Zeit des Krieges mit der anschließenden Besatzungszeit haben viele Anwohner der Kaiserstraße miterlebt,
und sie können heute noch davon berichten:

Lotti Lawall erzählt:
"An der Kaiserstraße, im Tanzsaal des damaligen Gasthauses Muskopf (heute »Zur Dorfschänke«, Inhaberin ist Bettina Mandler), befand sich das Sammellager der französischen Kriegsgefangenen in Morschheim. Das Haus war und ist unser direktes Nachbarhaus. Unser Vorratskeller in der Scheune wurde zum Luftschutzkeller für die Gefangenen erklärt. Wenn es nachts Fliegeralarm gab, öffnete mein Vater sofort die Kellertür, und die Gefangenen kamen mit ihren Bewachern in den Keller, um geschützt zu sein."

Betty Schölles geb. Bayer erinnert sich:
"Unser französischer Gefangener Joachim arbeitete tagsüber bei uns in der Landwirtschaft, und nach dem Nachtessen musste ich ihn in das »Lager« im Gasthaus Muskopf bringen. Damals war ich sieben Jahre alt und schon als ,Aufsichtsperson’ tätig. Ich übergab Joachim den beiden Wachsoldaten im Hof und bekam eine Kontrollkarte. Am nächsten Morgen wurde er von den Wachposten wieder in unseren Hof gebracht, und die Kontrollkarte wurde zurückgegeben. Das verlief alles ganz friedlich und ohne Zwischenfälle."

Helmut Hartmetz hat als damals 6-Jähriger den Einzug der amerikanischen Besatzungsmacht schon bewusst miterlebt:
"Zuerst kamen die Soldaten zu Fuß auf der Kaiserstraße in das Dorf. Sie liefen wachsam ganz dicht an den Häuserwänden entlang. Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich Männer mit dunkler Hautfarbe. Es gab keine Zwischenfälle. Bald aber wurde es lauter. Es kamen Panzer, kleine und sehr große Lastwagen durchgefahren, wochenlang, Tag und Nacht. Die Wände unseres Hauses bebten und zitterten und die Fensterscheiben klirrten. Bald hatten wir uns an den Lärm gewöhnt und konnten sogar nachts schlafen. Oft stand ich mit Freunden an der Haustür, denn es gab viel Interessantes zu sehen. Manchmal bettelten wir auch und riefen ,Chewing Gum!’ oder ,Chocolate!’. Meistens waren es die schwarzen Soldaten, die uns etwas zuwarfen."

Nach dem Krieg

Auch zu einem anderen Thema kann Helmut Hartmetz noch etwas erzählen: "An der Kaiserstraße in Richtung Alzey standen rechts und links große Walnussbäume. Die wurden im Herbst zur Erntezeit von der Straßenbauverwaltung an Ort und Stelle öffentlich versteigert. Die Bäume waren nummeriert. Mein Freund Lothar Wendland und ich wurden von zu Hause zur Versteigerung geschickt. Wir waren damals acht oder neun Jahre alt und galten schon als 'geschäftsfähig'. Ein paar Tage vorher schauten wir, welche Bäume wohl den besten Ertrag bringen würden. Wir ersteigerten dann für jeden ein oder zwei Bäume mit den besten Nummern und wurden zu Hause deswegen gelobt."

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland wurde der Verkehr auf der Kaiserstraße dichter. Die Straße, immer noch die kürzeste Verbindung von Mainz nach Kaiserslautern, Saarbrücken, Metz und Paris, wurde ausgebaut und zur Bundesstraße 40, kurz
"B 40" genannt, erhoben. Für eine Verkehrsberuhigung in Morschheim sorgte der Bau der Ortsumgehung ab ca. 1960. Das "abgehängte" Straßenstück durch den Ort trägt aber weiterhin den alten Namen Kaiserstraße. Immer mehr nahm der Verkehr in den folgenden Jahren zu. Nach langer Planungs- und Bauzeit konnte man ab ca. 1990 endlich die neue Bundesautobahn A 63 befahren. Sie verläuft fast parallel zur alten Kaiserstraße. Die Morschheimer benutzen sie gerne, um schnell nach Mainz, Wiesbaden, Frankfurt oder nach Kaiserslautern und Saarbrücken und weiter nach Frankreich zu kommen.

Quellennachweise:

Zu [1]: Hans Döhn: Die Epoche der französischen Revolution und Napoleons 1792 – 1815,
erschienen in Kirchheimbolanden - die Geschichte der Stadt, 1968, Nachdruck 1993, S 324 – 329
Zu [2]: Egon Busch: Demonstration imperialer Macht. Die Entstehung der Kaiserstraße (1807 – 1811),
erschienen in Donnersberg-Jahrbuch, 1992, S. 41
Rudolf Post: Käserstraß oder route impériale. Die Kaiserstraße und französischer Straßenbau in der pfälzischen Mundart,
erschienen in Donnersberg-Jahrbuch, 1992, ab S. 42
Zu [3]: Erschienen in Die Post in Wörrstadt, keine Jahres- bzw. Ortsangabe möglich, vermutlich aus Wörrstadter Ortschronik
Zu [4]: Erschienen in Staats-Zeitung, Nr. 20, Pfingsten 1964, S. 3

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